Sonntag, 7. Februar 2016

Über die Geduld


Man muss den Dingen
die eigene, stille
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen – und 
dann gebären...

Reifen wie der Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer
kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit
vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit...

Man muss Geduld haben
mt dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher,
die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich, 
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.

(aus einem Brief von Rainer Maria Rilke "an einen jungen Dichter¨)

3 Kommentare:

  1. Liebe Lotta,
    Dieses "vielleicht" beunruhigt mich bei dem ganzen!

    Liebe Grüße Dieter!

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  2. In Büchern kann ich keine Gedichte lesen. In einem Blogpost findet ich sie oft spannend. Vielleicht, weil dann die Gedanken des Dichters und die Gedanken der Bloggerin gemeinsam sichtbar werden.

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  3. Lieber Dieter, das "vielleicht" hat der Rilke gesagt - vielleicht kannte der sich auch nicht bei allem aus?
    Lieber Kai, das stimmt, in einem Lebenskontext werden die unendlichen Möglichkeiten eines Textes reduziert, wird schon gleich nahegelegt, worum es geht. Manchmal aber nimmt mir das dann meine eigene Interpretation weg, weil ich ja gefangen bin im Kontext. Hat irgendwie zwei Seiten.
    Danke für Eure Gedanken!

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