Montag, 24. August 2015

Tag 17: Bockstadt/Eisfeld - Stockheim


Wie gut hier geschlafen zu haben, denke ich, als ich morgens aus dem Zelt auf die sonnige Wiese krabbele. Der Zeltwirt hat mir schon Kaffee gemacht, und ein Früstühcksei im Häubchen - sooo lieb!
Ihr kennt das schon: ich sitze da und will nicht weg:)

Heute führt der Weg erstmals nach Bayern, in mein achtes von neun Bundsländern. Als hätten sie mir ein Klischee an der Strecke eingerichtet, feiert man im ersten Dorf gleich ein Oktoberfest, in Trachten und mit allem, was - nach meiner unwissenden Vorstellung - dazugehört. Es scheint aber eher sehr dorfintern zu sein, jedenfalls starren alle zu mir rüber auf die Straße, und ich verschwinde schnell.
Die Hügellandschaft wirkt voralpin, was sie ja eigentlich nicht ist. Bis zu einem Wegweiser ¨Gletscheralpe¨ - huch? Eine Hütte, ein Skilift, eine Piste am Wegesrand.
Ebenfalls am Wegesrand - und das ist gemein! - duftet es in jedem Dorf aus dem Gasthaus nach saftigem Mittagessen. Der Zeltwirt hatte mir von einer Radtour erzählt, bei der die kürzeste Etappe 7 Kilometer betrug, eben wegen eines solchen Gasthauses. Ich widerstehe; bin ja schließlich gerade erst aufgestanden.

Unten wird es wieder flachländischer. Die Orte heißen Rödental und Neustadt bei Coburg, was mir vorher nichts sagte, und jetzt auch nicht. Bin nämlich nur durchgerauscht. Heute ist es voll auf den Radwegen - Sonntag - und viele Wege sind zudem mit Fußgängern geteilt. Da will ich nicht immer heranbrausen und freiklingeln - so haben sich die Fußgänger ihren Spaziergang ja nicht vorgestellt - sondern ich praktiziere langsames Slalomfahren.

Hinter Neustadt wird es besser, weil es über ruhige, nahezu unbefahrene Landstraßen geht. Während von der ¨gebrannten Brücke¨ zwischen Neustadt und Sonneberg nichts zu sehen ist - man steht mitten in einem hässlichen Gewerbegebiet - gibt es einige Kilometer weiter einen Gedenkstein für ein geschleiftes Dorf, der liebevoll mit Bäumen und Bänken umrundet ist. Es scheint ein beliebter Ausruhpunkt für Spaziergänger aus den Dörfern zu sein. Neben mir sitzt ein alter Mann, der mit einem selbstzusammengebastelten Elektrofahrrad seine Sonntagswege geht, und erzählt. Vom Leben auf den Dörfern jetzt, und früher. Wie die Menschen aus seinem Dorf immer immer in Mupperg begraben worden waren und dieses plötzlich im anderen Land lag. Wie aus diesem nun verschwundenen Dorf, ¨in¨ dem wir sitzen, alle Bewohner eines Nachts mit ihren Tieren über die Grenze geflohen sind, bevor sie am nächsten Tag ins Landesinnere umgesiedelt werden sollten. Wie man heute am Stammtisch aber kaum mehr weiß, wer von woher kommt - die Dörfer hier sortieren sich nicht mehr nach Ost und West. Und es fiele ihm auf, dass immer weniger Menschen von außerhalb kämen und nach der Grenze fragten. Alles würde so schnell vergessen.

Ich fahre mit vielen Gedanken weiter. Immer auf ruhigen Straßen, ein bisschen auf und ab, vorbei an einem Waldhotel oben auf der Anhöhe, wo ich um 17 Uhr einen Kuchen möchte (¨Aber wir haben schon Abendessenszeit?!¨), hinabrollen ins Tal, der Autoverkehr einer Hauptstraße.
Hier springt mein Kilometerzähler übrigens von 999,99 auf 0,00. So als wenn nie etwas gewesen wäre:)

Hier unten im Tal übernachte ich auch, in einem kleinen Gasthof. Das Zimmer ist nicht viel größer als ein Zelt, jedenfalls kommt man vom Bett aus an alles dran:)
Und in der Wirtsstube versammelt sich abends ein junger Stammtisch, die mir irgendwann einen Obstler rüberschicken, damit ich nicht weiter lese:) und wir ins Gespräch kommen. Es wird ein bisschen viel Alkohol und sehr spät - dafür dass es heute von Höhenmetern her zur Sache gehen wird. Mal schauen, wie ich mich jetzt gleich in die Berge hochkämpfe ....

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