Montag, 5. Januar 2015

Wünsche an ein neues Jahr

Das neue Jahr ist noch ganz jung. Seine ersten Tage gehören immer noch dem Innehalten. Dass wir erst nach dem 6. Januar mit der Schule beginnen, schenkt die Möglichkeit sanft anzukommen. Immer schon war mir ein bewusstes Hinübergehen wichtig, kann ich mich doch an sehr viele erste Januartage meines Lebens erinnern, an die mit ihnen verbundenen Gedanken, an die Weisen, wie neue Jahre begonnen haben, und auch an gute Vorsätze, natürlich.
Wie aber bei anderen Menschen auch: Gute Vorsätze scheiterten. Das muss vielleicht so sein, wenn man seine eigenen Schritte in dieser frischen noch unberührten Jahresschneedecke mit Erwartungen und Bemühungen und Vorstellungen überfrachtet. Von nun an soll meine Spur gerade verlaufen, oder eben in besonders schönen Kurven – von nun an hebe ich die Füße mehr und schlurfe nicht mehr – von nun an ändere ich meine Schrittweite so, dass ich nicht mehr außer Atem komme – von nun an trete ich kein einziges zartes Pflänzlein mehr tot, und keine Fliege – von nun an führe ich meinen Weg in Bögen sowohl an kraftspendenden als auch an dürstenden Orten vorbei – von nun an laufe ich richtig … 
Ich glaube, solche Vorsätze können uns nicht daran hindern, weiterhin falsch zu laufen. Ich jedenfalls werde auch in näherer und fernerer Zukunft schlurfen, torkeln, trampeln, irren … müssen. Und dürfen. Ja, es gibt vielleicht nur einen einzigen lebbaren Vorsatz: Ich nehme mir vor, mir diese meine Gangart in all ihrem Ungeschliffensein zu erlauben. Und selbst hier ziehe ich sofort zurück: Mein innerer Richter wird nicht lange auf sich warten lassen. Muss ich denn nicht auch ihm gestatten, weiterhin so durch mein Leben zu ziehen wie bisher? (Mit meinem inneren Richter kenne ich mich zu schlecht aus, um hierauf eine Antwort zu haben.)

So also stehe ich vor dieser unberührten Jahresfläche, die zu beschreiten ist, und halte inne. Ich werde meine Spuren setzen, sie werden weiterhin nicht meiner Vision und keinem Ideal der Welt entsprechen, ich lasse diese Illusion los. Aber ich darf mir etwas für sie wünschen. Ich darf mich bereit machen, darf Hoffnungen leben, darf mich der Bequemlichkeit entziehen und der Veränderungsarbeit aussetzen – und dann Wünsche an meine Schritte, an mein Gehen in diesem neuen Jahr richten.

Ich wünsche mir gesund zu bleiben oder zu werden. Dazu werde ich mich mehr um mich selbst kümmern, mir selbst ein offenes Ohr schenken müssen. Dieses Ohr braucht viele Dimensionen und hat nicht nur mit dem zu tun, was man gemeinhin Hören nennt. Es soll meinem Körper zuhören, meiner inneren Stimme, meinen Energiereserven und meinen Bedürfnissen.

Ja, gerade diesen möchte ich mich bewusster zuwenden können. Manche wollen ausgesprochen werden, weil sie sonst mein Inneres zernagen, manche wollen ergründet werden, weil sie in tief Vergangenem wurzeln und sich möglicherweise überlebt haben, ohne dass sie mich bisher frei gelassen hätten, und manche wollen oder müssen einfach gelebt werden, wenn ich ich selbst bleiben will. Dazu braucht es weniger Harmoniesucht, mehr Eintreten für mich selbst in jeglicher Kommunikation. Da sind so Kleinwerdfallen, in die ich immer wieder tappe. Selbst wenn ich mit mir selbst spreche. Bitte also: Ich möchte so gern offen aussprechen können, was ich brauche.

Und ich wünsche mir loslassen zu können. Erwartungen, die ich an mich selbst hege, an meine inneren Prozesse, an meine Rolle in Alltag und Haushalt, an meine Verantwortung, an Ordnung und Struktur. In meinem Fall wäre weniger mehr. Ich wünsche mir dies einfach mal. (Und ob dann jemand anderes diese Verantwortung übernimmt, steht auf einem anderen Blatt. Auch diese Erwartungen muss ich loslassen. Aber wünschen darf ich auch hier.)

Sehr dringlich ist mein Wunsch nach mehr Geduld und Gelassenheit im Sein mit den Kindern. Die Pubertätsanfechtungen werden zunehmen, einige neue Herausforderungen kommen auf uns als Familie zu, mein Mutterherz tut sich so schwer mit dem Loslassen. Ich wünsche mir, dass es nicht zu unrund wird bei uns. Und dass wir neue Kommunikationswege finden, wo alte brüchig werden. (Eine konkrete Idee steht mir vor Augen. Wenn es an der Zeit ist, werde ich vielleicht davon erzählen.)

Nun überlege ich, ob ich mir etwas für meine Arbeit, für mein Schulsein wünsche. Ja, dass es so bliebe, das wäre nicht der schlechteste Wunsch. „Bleiben“ beinhaltet in diesem quirligen Raum ja ohnehin alltäglich variierende Buntheit. Und was auch bleiben möge: Meine bisher zögerlich ausgesprochenen Neins, die mögen mich bitte nicht wieder verlassen. Meine im Sommer beginnende Teilzeit wirklich als solche zu leben, so dass ich meine Kraftgrenzen zu respektieren lerne, endlich mal dauerhaft pünktlich ins Bett zu gehen und meine selbstverordnete 24-h-Erwerbsarbeitspause an einem jeden Wochenende ernst zu nehmen, und zwar ausnahmslos und immer - darf ich mir die Konsequenz dafür bitte wünschen?

Und dann wünsche ich mir wieder mehr Begegnungen. Mit mir selbst, beim Schreiben, in der Musik – und mit anderen Menschen. Mir selbst fremd zu werden bedeutete in den letzten Monaten auch anderen fremd zu werden. Gerade nach der Erfahrung der Verlorenheit in letzter Zeit wünsche ich mir ein neues Aufeinanderzugehen in viele Richtungen.

Und Unterwegssein wünsche ich mir. Mit offenen Augen, mit Wachheit und der Bereitschaft zu empfangen. Ja.

Einige dieser Wünsche haben nur mit mir selbst zu tun, nur mit meinem Tun und Sein und Gehen und Innehalten, mit keinerlei äußeren Ereignissen und Einflüssen. Ich möchte sie trotzdem Wünsche nennen, nicht Vorsätze, obwohl ihre Erfüllung nur in meiner eigenen Hand zu liegen scheint.

Liegt es denn so ganz allein in meiner Hand, ob sich mein Wunsch nach stimmigeren und besser zu mir passenden Schritten erfüllen wird?

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