Sonntag, 10. April 2011

Flügge Tochter

Vor etwa zwei Wochen und zwölfeinviertel Stunden hatte sie noch nie im Leben auf einem Fahrrad gesessen.
Vor etwa zwei Wochen und zwölf Stunden konnte sie Rad fahren.
Vor etwa zwei Wochen und sechs Stunden hatte sie - nach einigen Stunden heimlicher Übung ohne uns :) - das anfängliche Ich-kann-aber-keinen-Rücktritt-und-ich-bremse-sowieso-mit-den-Füßen-Böckchen überwunden
(Wie richtig, dass wir all die besorgten Nachfragen - "... aber sie ist doch schon fast fünf?!" so gelassen ignoriert hatten :) Das Gras wächst eben auch, wenn man nicht an ihm zieht ...)

Seit letztem Wochenende also fegt sie mit ihrem gelben Bambirad auf unserer Spielstraße herum.
Hält bei diesen und jenen Nachbarn an, verwickelt sie in Gespräche, plaudert über lockere Schrauben am Sattel und das Fahren im Stehen und wie man eine Pedale als Ständer nutzen kann und - ich hab's genau belauscht - über die Vorteile des Rücktritts gegenüber dem Fußbremsen :)
Stachelt die großen Jungs an, Wettrennen mit ihr zu fahren, wobei diese sich von ihrem Kleinmädchenrehaugen-Blick betören lassen und ihr freiwillig soundsoviel Meter Vorsprung oder das beste Fahrzeug oder einfach einen Augenzudrück-Vorteil beim Zieleinlauf geben. Und übertrumpfen sich gegenseitig in Großzügigkeit gegenüber der Kleinen - gar köstliche Dialoge dringen an mein Ohr, während ich so im Garten herumliege :)

Aber die Spielstraße und ihr Kannst-du-mir-das-Fahrrad-die-Treppe-runter-tragen ist Schnee von gestern. An diesem Wochenende ging das so: Hocker vors Schlüsselbrett - Schlüssel nehmen - Hocker zur Garage tragen - Garage aufschließen - Fahrrad rausschieben - Garage schließen - Hocker und Schlüssel ins Haus bringen - kurzer Ruf in den Garten: "Mama, ich bin Fahrrad fahren auf der Straße."
Upps?! Auf der Straße - ähm - das war aber nicht ausgemacht, Tochter ...
Doch sie hört mich nicht mehr. Ist schon weg.
Als der Große in ihrem Alter war, waren wir gerade hierher gezogen, und ich weiß noch, wie viele Nachmittage ich auf Treppe und Angelhocker sitzend verbrachte, nur um ihn auf der Spielstraße im Auge zu behalten. Die obere Straße war Tabuzone. Noch lange Zeit.
Nu ja, eine Mutter wächst mit ihren Aufgaben (und mit jedem Kind), so auch ich. Eine Weile schaute ich ihr aus der Ferne zu und sah: alles vorschriftsmäßig - Fahren auf dem Gehweg und Straßenüberquerung nur nach Links-Rechts-Blick. Und so ließ ich sie ziehen ...
Neuer Bewegungsradius - neue Kinder: mit der ersten kleinen Neufreundin stand sie nach kurzer Zeit vor mir, ob sie zu dieser in den Garten dürfe? Damit ich sie nicht suchen müsse, sage sie mir Bescheid.
Ich staunte nur. (Und kann mich nicht erinnern, dass der Sohn jemals auf eine solche Idee gekommen wäre - Bescheid sagen: was ist das???)

Heute ihre erste Radtour, 5 km ins Nachbardorf, gemütlich über die Felder. Ich plante viel Zeit ein. Und den Rückweg hätten wir mit Auto oder Zug machen können. Ich wusste ja noch, damals mit dem Sohn ...
Doch die Tochter hielt nicht einmal beim Treten inne. Setzte keinen Fuß auf den Boden, außer an Straßen und Wegkreuzungen. Kein einziges Ich-kann-nicht-mehr, nicht mal, als wir schließlich die Räder den langen Berg zu uns hochschoben.
Und sie fuhr, als mache sie das jeden Tag: blieb am rechten Rand und auf dem Gehweg, hielt an Kreuzungen an, stieg ab, wartete, schaute sich um - bedächtig, umsichtig, vorsichtig. Vielleicht ist das ja normal? - Nicht für mich jedenfalls. Bis heute kann ich mit dem Sohn nicht so ruhig im Straßenverkehr Fahrrad fahren wie mit ihr beim Debüt heute.

Es ist doch immer wieder spannend, wie verschieden die Kinder sind.
Und immer wieder schön mitzuerleben, wie sie wachsen ...

1 Kommentar:

  1. Dein Post bestätigt mich wieder darin, dass Kinder ihre Zeit brauchen und dann ganz von selbst ihre Aufgaben bewältigen.

    Einen schönen Sonnentag

    Carmen

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