Donnerstag, 3. März 2011

Kontrastprogramm

Preisträgerkonzert des Musikwettbewerbs, ein kleiner Saal einer Edelveranstaltungshalle hier in der Gegend.

Der große Saal und das Foyer sind anderweitig gebucht: eine Gartenmöbelmesse. Schrägschrill-teuer-pompöse Sessel, Hocker, Tische, Liegestühle, Accessoires, die die Welt nicht braucht. Absurd die Vorstellung, sich mit solchen Sitzungetümen den Garten zu verstellen.
Möbelunnützstücke, die zudem höchst unbequem sind. All die Kinder, die in der langen Vorlauf- und Einspielzeit des Konzerts darauf herumklettern, bekunden dies laut und befremdet. Offenherzig wie bei des Kaisers neuen Kleidern. Messeaufpasser, brustschildgekennzeichnet und einheitsgedresst, beargwöhnen die kletternden Kleinen und vertreiben sie schließlich, als erste Messegäste eintreffen. Diese sehen aus wie es die Preisschilder vermuten lassen - kaum ein Stück geht unter 4-stellig weg - und dürfen natürlich nicht mit echten, tobenden Kindern in Kontakt kommen, die noch dazu ungewollte Wahrheiten aussprechen.

Wir ziehen uns wieder in unseren kleinen Saal zurück. Hierher, wo man sich warmspielt, Klavierhocker hoch- und runterschraubt, Cellostühle ausrichtet, Geigensaiten stimmt, wo man aufgeregt zwischen Mama-Papa und Lehrer hin- und herläuft und zwischendurch schonmal einen verstohlenen Blick auf den langen Tisch mit den vielen Urkunden und Medaillen wirft. Hier sind wir richtig.

Wir erleben ein wunderbares Konzert: welch inniges Musizieren, welch Strahlen in den Augen, welch Aufgeregtheit, welch Stolz. Berechtigterweise - denn wie lange haben sie geübt, die hier heute spielen dürfen!

Die Preisgelder für alle jungen Musiker des riesigen Landkreises betragen übrigens 500 Euro. Für alle zusammen. Dafür bekommt man da draußen wahlweise einen Dreiviertelhocker oder einen Viertelliegestuhl. Oder eine Sechzehntelsitzgarnitur.
Nicht, dass ich es wichtig fände, Kinder für's Musizieren mit Geld zu belohnen. Nein, das nicht. Ich erwähne die Summe nur, weil der Kontrast so befremdlich ist: da draußen wechseln gerade vier- und fünfstellige Beträge den Besitzer. Einfach so. Für etwas, das man Luxus zu nennen pflegt.
Wieviele Musikwettbewerbe davon ausgerichtet werden könnten. Wieviel Unterricht für Kinder, deren Eltern sich den Musikschulbeitrag schlicht nicht leisten können. Oder wieviel Musik- oder Lese- oder Turn- oder Knobelaktivitäten in Kindergärten. Oder gesundes Frühstück für Kinder, die keines mitbekommen. Oder Sportvereine. Oder Hausaufgabenbetreuung. Oder ein paar gemütliche Sitzmöbel (nicht 4-stellig-preisig) für unsere Ganztagesschüler. Oder oder oder ... Ich hätte tausend Ideen, auf der Stelle.
Schwindlig machend, für was in diesem Land Geld vorhanden ist, und für was eben nicht. Wo das Geld steckt, und wo eben nicht. Traurig.

Als uns am Ausgang Papiertüten mit Werbeprospekten der Gartenmöbelfirma entgegengestreckt werden, halten wir unsere Kinder davon ab zuzugreifen. Bitte diese Bilder nicht auch noch im Kinderzimmer anschauen müssen :(

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