Sonntag, 20. Februar 2011

Dort

Dort, wo ich vor genau einer Woche war, an dem Ort, der mir seither in manchem Moment fern schien und es doch niemals mehr ist, dort also ...




... dort war uns Schweigen geheißen, mit dem Munde, mit den Augen, im Lesen, im Schreiben und - so ergänzte ich für mich - im Fotografieren, damit selbst die Bilder nicht zu mir sprechen (nicht ganz konsequent, wie diese Handyfotos zeigen :)),




... dort fragte mich die Zimmernachbarin, noch bevor die Schweigezeit begann, warum ich hier sei --- "damit es weniger wird", war meine Antwort, und ich spürte, dass sie verstand,




... dort saßen wir zumeist, unseren Atem beobachtend, oder wir gingen, unseren Atem beobachtend, oder wir bewegten unseren Körper, unseren Atem beobachtend, oder wir aßen, das Essen und nichts als den Atem um uns, oder wir arbeiteten, die Arbeit und nichts als den Atem um uns - hineinspürend, mit dem Versuch, jeden Gedanken sofort zu unterbrechen,




... dort sollte es still werden, innen wie außen, ganz still --- und es wurde still(er) (welcher Art Rauschen dennoch in mir lärmte, davon schreibe ich ein andermal),




... dort vergaß ich sehr bald die Gedanken an Zuhause, an den Alltag, an das Handy in meiner Tasche, an mein Buch, an das Bild der Bäume am Wegesrand, an die Menschen, die um mich herum saßen,




... dort kostete ich von der Ahnung des Schwer-Erzählbaren:
Reines Dasein, ohne Gedanken, ohne Rückschau, ohne Blick in Zukünftiges, ohne "um zu"-Absichten.




Vielleicht war es nur die Ahnung einer Ahnung, was ich dort erlebte.




Denn fast unablässig spürte ich eine Gedankenschicht in meinem Kopf - es gab nur wenige Sekundenmomente, in denen diese verschwand. Zuweilen glaubte ich, unter dem Schweigen zu bersten --- und musste den Druck durch kurz-heftige Worteruptionen ins Tagebuch vermindern. Ja, nach wenigen Stunden hatte ich das Gefühl, nun mindestens einen Roman über mein Erleben schreiben zu können (und zu müssen). Fast zerrissen mich die Fragen und Gedanken, die mir zum Gehörten - es gab Vorträge - kamen, und nicht wieder verschwanden. Wie unendlich gern hätte ich von all den Mitteilnehmenden gehört, was sie herbrachte, wie sie es durchlebten, wohin sie anschließend weitergehen würden.

Und dennoch: ich schwieg. Es wurde einfacher mit den Stunden. Es wurde selbstverständlicher, als sei das Leben genau darauf ausgerichtet zu schweigen. Ja, so fühlte es sich an.




Mitgebracht habe ich aus dem Dort:

Die Ahnung der Stille.
Sie war, als ich dort war.
Sie wird wieder sein, wenn ich dorthin zurückkehre, eines Tages. Oder an einen anderen Ort.
Und dazwischen gespannt eine Kette von (All)Tagen, in denen sie ihren Raum einnehmen kann. Wenn ich sie lasse. Ich übe ...

Ja, es gibt viel zu üben.

4 Kommentare:

  1. Oh, ich hätte es nicht ausgehalten.
    Ich schicke mir mit meinem Sohn sehr regelmäßig SMS ( manchmal mehrmals täglich), über die Schule(nervige Schüler, nervige Kollegen, von ihm nervende Lehrer etc.). Es ist wie die Nabelschnur, die hier allerdings beidseitig funktioniert.

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  2. Raumfahrt
    Genau, es gibt viel zu üben... ich wünsche Dir (und mir und überhaupt allen), irgendwann nicht ins Dort zurückkehren, überhaupt an keinen "Ort" gehen zu müssen, um diese Stille zu finden, aus der dann so vieles erwachsen kann und wird. Dieser "Ort" ist doch in uns selber drin. Wir müssen nur oft erst lernen, ihn zu entdecken, um ihn nutzen, an und in ihm ausruhen zu können. Dafür ist ein "Dort" mit definierten Anweisungen, dosierten Worten und anderer Atmosphäre natürlich hilfreich.
    Ja, man sollte der Stille Raum geben, jeden Tag eine kleine Insel. Und seiner Seele Zeit.
    Liebe Grüße!

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  3. Ein Meditationswochenende in einem Kloster vor 16 Jahren wirkt bei mir heute noch nach.
    Erstaunlich, dass es nichts braucht um so viel zu bewegen.
    Liebe Grüße
    Herr M

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  4. Ich lasse dir einen lieben Gruss da, einfach so...
    Gabriela

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