Sonntag, 11. Juli 2010

Angestaut

Über Jahre und Jahrzehnte blieb, was fließen wollte, im Becken angestaut.
Aufgehalten von Steinen und Felsbrocken – selbst herbeigeschleppten und zu Mauern aufgetürmten.
Drängte das Wasser stärker, baute ich die Mauer höher. Auf dass ja die Fluten gefangen blieben.
Rutschte ein Stein aus der Mauer, legte ich zehn neue nach.

Jahrelang.
Jahrzehntelang.
Wohl mein Leben lang.

So war sie dick geworden, die Mauer, sehr. Aber auch, da häufig geflickt, stückwerkhaft und brüchig.

In letzter Zeit fielen hin und wieder Steine heraus. Kleine zunächst. Hinterließen Öffnungen. Kleine zunächst.
Doch plötzlich bin ich nicht mehr willens, die Löcher zu flicken. Lasse Wasserrinnsale fließen. Richtig fühlt sich das an. Und was sehe ich? Andere Steine werden mitgerissen – das Wasser bricht sich Bahn, bahnt sich seinen Weg – immer größer, immer stärker – puh!
Bin selbst überrascht – und überfordert – wieviel da plötzlich fließt.
Wieviel!
(Welch Stau muss in mir sein.)

Will ich das?
Es tut weh!
Bin es nicht gewohnt.

Am liebsten schnell wieder eine Mauer hochziehen.
Wie es sich damit lebt - das ist mir wenigstens vertraut.
Bin hin- und hergerissen: bauen oder nicht bauen?
Aber ich habe ohnehin keine Wahl mehr, scheint mir. Ein Teil der Steine ist schon weggespült. Wo bekomme ich jetzt neue her? Nein, nicht mehr aufzuhalten ...

Und doch: Das Neue ist schmerzhaft. Für mich selbst am meisten.
Ungeebnetes Flussbett. Teilweise erst noch in die Landschaft zu furchen. Da ist noch kein Weg für all das Wasser.
Ich weiß noch nicht ...
Kann nur vertrauen, dass das Wasser mir hilft. Sich seinen Weg selbst sucht. Ebnet. Glättet. Bis das Fließen nicht mehr schmerzt.


So also: ein paar kleine Steinchen. Und alles fließt.
(An die erschrockenen Steinchen: Es ist gut so!)

5 Kommentare:

  1. Hallo,
    eine Therapie kann da sehr hilfreich sein. Die "Steine" gehen dann zwar auch nicht schmerzfrei, aber irgendwann sieht man wieder Licht am Ende des Tunnels.
    Gruß Martina

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  2. Hallo,

    In solchen Situationen kommt mir immer dieser Song hier in den Sinn:

    http://www.youtube.com/watch?v=tkJNyQfAprY

    Allerdings löst er gar nichts - er beschreibt nur.

    Gruß,

    Maik

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  3. Ich denke beim Lesen gerade an einen glatten, weichen Kiesel aus einem wilden Gebirgsbach, der warm und sanft oder auch kühlend und belebend in der Hand liegt. Geschaffen aus einem kantigen Stein, durch strömendes Wasser. Den man durch die Finger gleiten lassen kann, der einen in Ruhe und Meditation begleitet. Ich wünsche Dir solche Kiesel!

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