Donnerstag, 13. Mai 2010

Lebensfreudetag

Während ich eifrigst mit dem Grünstift agiere und der Gedanke von mir Besitz ergreift, dass es schade ist, diesen freien Tag so zu verbringen,
ist der Sohn mit der Erfindung eines fliegenden Sessels beschäftigt, der ihn in die Schule transportieren soll. Morgen geht es mit Papa in den Baumarkt, Holz zu kaufen. Der Papa wagt einzuwenden, dass die Konstruktion doch zunächst genau durchdacht sein wolle, insbesondere der Antrieb. Damit es nicht am Ende zur Nasenlandung führe. Nun sitzt der Sohn mit seinem Metallbaukasten und baut Getriebe aus Zahnrädern und Riemen. Präsentiert mir strahlend, dass sich das letzte Rad viel schneller dreht als das erste.
Ist versonnen-glücklich, auch wenn (oder gerade weil?) keiner für ihn Zeit hat und er sich allein in seinem Zimmer beschäftigen muss.

Während wir hier frieren und immer wieder sorgenvoll zu wetteronline clicken, ob denn nächste Woche nach Italien statt Badesachen doch lieber Ski und Rodel mitzunehmen seien,
hüpft und springt die Tochter unbeeindruckt von der Kälte im Haus sonnenfroh durch die Räume. Tanzt und dreht Pirouetten auf einem Bein, bringt uns mit Augenzwinkern zum Lachen und versprüht aus jeder Pore Lebensfreude pur. Ansteckende Sonne, dieses Kind!
Auch Hausarbeit wird mit ihr zusammen zu einem Seelentanz: wie sie strahlt, während sie Stück um Stück in die Waschmaschine legen darf, tänzelt, während sie den Knopf dreht („Auf die 40, gell?“) und sich am Ende geduldig müht die Klappe zu schließen, bevor sie sich schwungvoll und augenblitzend mit ihrem kleinen Popo dagegen wirft: „Wie der Shaun das Schaf!“ – Ja, stimmt, so beginnt die Waschtag-DVD, nur war mir das noch nie aufgefallen :)

Hach, Lebensfreudetag bei Tochter und Sohn. Das steckt an. Auch ich beginne zu strahlen und innerlich zu tanzen …

***

Das war heute Vormittag, aufgeschrieben mittags. Warum ich es noch nicht einstellte, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Vielleicht weil noch etwas fehlte, der Nachmittag nämlich?

Mit plötzlich einsetzendem Durchfall des einen und einem langandauernden Tobsuchtsanfall des anderen Kindes. Und mit einem mich unvermittelt aufwühlenden Etwas. So dass ich mich ans Bügelbrett zurückzog – das wärmt von außen und beklagt sich nicht, wenn ich es ein wenig salze.

Das alles: intensivste Lebendigkeit …
… mit dem Bauchweh-Kind Schmuse-Liegen im Bett, bis es aus diesem herausspringt, als wäre nie etwas gewesen,
… mit dem Tobe-Kind ein inniges Auf-dem-Schoß-Gespräch, in vom Gewitter gereinigter Atmosphäre, bis es „wieder gut“ ist,
… mit dem aufgewühlten Kind in mir Zwiesprache gehalten, bis es und ich zusehen können dabei, wie die Unterwasserwirbel – wie jedes Mal – einige größere Steine zu Boden sinken lassen und das Wasser klarer, ungetrübter hinterlassen.

All das wirkt wie eine Kehrseite des Vormittags, als würde seine Lebensfreude wieder aufgehoben, ginge gar verloren.
Und doch waren auch die letzten Stunden in mir so lebendig, so intensiv, so bunt, dass ich froh sein kann darum. Nur waren sie eben in Komplementärfarben angemalt.

Soll das so sein?
Ist Lebensfreude vielleicht eine Waage, auf jeder Seite eine leere Schale?
Und beide Schalen müssen gleichmäßig gefüllt werden?

Dann wäre dieser Tag ein echter Lebensfreudetag gewesen. Beide Schalen im Gleichgewicht …

1 Kommentar:

  1. Ich bin der festen Überzeugung, dass beide Seiten dazu gehören. Gefühle sind ein Gesamtpaket. Entweder wir entswcheiden uns dafür und nehmen alle oder wir verlieren alle, wenn wir uns nur die genehmen raussuchen wollen und die anderen unterdrücken.

    Es klingt schön, was du erzählst, Uta. Und manches hab ich gestern ähnlich erlebt. Auch gefroren und dann am Nachmittag mit meinem jüngeren Sohn gekuschelt, zum wärmen, und er wurde dann zum Bauchweh-Kind. Jetzt geht es ihm aber wieder gut.

    Ich wünsch dir, dass du ein Stück der Lebensfreude von gestern mit ins heute nimmst, wo es dann den neuen Tag wie Sauerteig infiziert und sich ausbreitet :-)

    Und ein schönes Wochenende
    Constanze

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