Sonntag, 17. Januar 2010

zweiLeben-Sonntag

Sonntagmorgen – Einsamkeit. Ich mit mir allein.
Mein Schlaf wurde von einem Tagtraum beendet. Nun sitze ich vor dem großen Fenster. Stille im Haus.
Grauweißes Himmels-Hell, wohlig auf der Heizung ausgestreckte Füße, aufweckender Duft von Kaffee, dazu gesellt sich leises Regenklopfen.
Im Sandkasten schauen aus der Schneedecke erste bunte Spielzeugspitzen hervor. Auf dem Bobbycar verwandelt sich ein sanftweich-weißer Berg Tropfen für Tropfen in einen kleinen Sitzmulden-See.
Vom Dach ergießt sich eine Lawine mit Getöse auf einen Strauch. Dieser wird gebeugt (oder: verneigt sich?), richtet sich alsbald wieder auf.
Im Schnee Spuren einer Vogelwanderung. Kreuz und quer, ohne Ziel, könnte man meinen - doch wer will das wissen? Und warum lief der Vogel vor dem Rosenbeet so aufgebracht hin und her? Was sah er, was ich nicht sehe?
Mein Buch bleibt geschlossen. Augen und Seele geöffnet.
Stille. Allein.
Ich bin ganz im Hier und trinke das wunderbare Jetzt.
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Die Nachbarn sind erwacht. Die ersten machen sich auf den Weg zum Bäcker.
Oben im Haus Schritte ...
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Zwei Stunden später.
Den ersten Kinderstreit geschlichtet: Welches Tier da wohl im Garten umhergelaufen war?
Die Spuren des gestrigen Besuchs in Küche und Essecke beseitigt.
Das Frühstück gefrühstückt.
Die Kinder angezogen.
Den heutigen Tag mit einem Fahrplan versehen.
Den Rotstift gespitzt. (Die Fahrpläne dieser Tage sind arg eindimensional.)

So sitze ich zwei Stunden später am Schreibtisch.
Das Geheimnis meiner Morgenstunde scheint verschwunden, aufgelöst, wie nicht gewesen.
Der Alltag – ein anderes Leben? – ist wieder um mich, mit allem, was drängt, zieht, treibt.
Wie dankbar bin ich um die Stunde am Morgen!

Es gibt diese zweiLeben-Tage (heute war ein solcher),
an denen es sich zerrissen anfühlt,
weil die Wachheit des Seins im Hier und Jetzt allzu schnell von einem Alltagsleben abgelöst wird, welches getränkt ist von der Sehnsucht nach erneuter Wachheit, nach dem Wunder des Jetzt-Trinkens.

Aber manchmal – und immer unerwartet – gibt es einLeben-Tage,
an denen ich keinerlei Entweder-Oder-Riss zwischen parallelen Welten spüre,
an denen es keinen Gegensatz von zweierlei Leben gibt,
an denen ich keinen Spagat vollbringen muss.

Weil ich an solchen Tagen
mit jeder Faser meines Körpers die Wachheit spüre,
mit jedem Handgriff ein Stück Ewigkeit berühre,
mit jedem Atemzug einen Hauch wahrer Weite inhaliere.

Weil an solchen Tagen
eine jede Sekunde durchdrungen ist von heiliger Seins-Stille,
ein jedes Tun zur schweigenden Seins-Andacht wird.

Weil mir an solchen Tagen eine leise Ahnung fließt,
dass das Eine und das Andere ein allumfassendes Ganzes sind,
in welchem alles seinen Platz hat,
in welchem mein Ich – ja, wo? – in mir? im Leben? im Sein? im Ganzen? aufgehoben ist.

Wie dankbar bin ich um diese einLeben-Tage!
Oh ja, es gibt sie.

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