Donnerstag, 24. Dezember 2009

Weihnachten in der Ferne

Vor 20 Jahren.
Wir lebten in Moskau, fern von jeder Weihnachtstradition im hiesigen Sinne. Mit Sehnsucht im Herzen näherten wir uns den Weihnachtstagen – dort waren es Alltagstage, schlimmer noch: Examenszeit.

Und wir …
… fuhren am Wochenende in den Wald, eigenhändig ein Bäumchen zu schlagen – ein kleines, welches wir auf den Schultern heimtransportieren konnten und welches bei den Milizionären am Wohnheimeingang kein allzu großes Aufsehen erregte,
… bastelten aus simplem weißen Schreibpapier Girlanden und Sterne als Baumschmuck,
… zerkrümelten Alufolie von Pralinenverpackungen, so dass eine Art Lametta entstand,
… hängten noch Kekse an – und erfreuten uns mehr denn je an einem geschmückten Baum (der Hintergrund: so „verziert“ sieht es eben in einem normalen russischen Mehrbett-Wohnheimzimmer aus ;-)),



… hatten wer weiß woher sogar Kerzen organisiert,
… sahen zu, wo wir Essen auftreiben konnten (zu jener Zeit gab es in den Geschäften bei langer Suche immerhin noch mehrere Brotsorten, zuweilen Käse oder Wurst, auch Rüben, Nudeln, diverse Konserven, manchmal Mehl und morgens Milch – hätte man uns gesagt, dass all dies ab Februar vorbei sein sollte, hätten wir das „Festmahl“ jenes Heiligabends noch viel mehr zu schätzen gewusst),
… buken aus wie auch immer ergatterten Eiern einen hohen Stapel Pfannkuchen (wie konnte es passieren, dass die nirgends im Bild sind?! - ich weiß das noch sooo genau),
… organisierten einen Uralt-Grill (rechts im Vordergrund vor dem Bäumchen steht er), um Brote mit Wurst zu überbacken und stellten dabei fest, dass die Wurst wohl überwiegend aus anderen Materialien als Fleisch bestehen musste, nahm sie doch bei Erwärmung umgehend eine seltsam verschrumpelte Konsistenz an,





… hörten selig einigen zerkratzten Schallplatten auf einem leiernden Plattenspieler zu – dass es Weihnachtslieder waren, mag ich mich nicht erinnern, aber irgendwelche deutschen Lieder halt,
… kapitulierten im Laufe des Abends an meinen 5 Stollen, so dass wir die überreichlichen Reste schließlich unseren russischen Freunden mitgaben (Warum 5 Stollen? Weil ich aus der Heimat fürsorglich mit mehreren Stollen versorgt worden war, so abgeschickt, dass in jeder Adventswoche einer ankommen sollte – die sowjetische Post wollte mir dann aber eine besondere Freude bereiten und händigte mir alle zusammen erst kurz vor Heiligabend aus ;-)),
… waren sehr glücklich bei unserem Weihnachtsfest im Herzen,
… beendeten dieses aber beizeiten, denn für uns alle fanden am 25. und 26. Examina statt, Semesterabschlussprüfungen,
… durchstanden auch diese, dort in der Ferne, an jenen Tagen, an denen sonst alle Weihnachten feiern,
… setzten uns am 26. spätnachmittags examens-erschöpft und glücklich in den Zug, der uns etwa 30 Stunden später wohlbehalten in Berlin ablieferte …

Weihnachten in Moskau, vor 20 Jahren.

Ich wünsche uns allen ein Weihnachten im Herzen – ganz gleich, ob uns das Fest nah oder fern zu sein scheint, ganz gleich wo und wie wir es verbringen. Mögen diese Tage licht und friedlich sein.

3 Kommentare:

  1. Liebe Uta,

    dir und deinen Lieben wünsche ich ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.

    Ich bin das Lichtlein, das erwacht
    in der dunklen Winternacht.
    Die Menschen gingen so gebückt,
    doch als das Lichtlein sie erblickt, da wussten sie,
    es kommt die Zeit,
    da alle Herzen werden weit,
    und alle Augen werden hell,
    und alle Füsse laufen schnell;
    denn mitten aus dem Winterleid
    ersteht die liebe Weihnachtszeit!


    Herzlich
    Rina

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  2. Euch auch eine ruhige und schoene Weihnachtszeit und ein gesundes 2010.
    Du hast in
    Moskau studiert? Wie lange?

    Gruß orangata

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  3. Ein Jahr lang war ich in Moskau, im 5. und 6. Semester bzw. im dritten Studienjahr, wie das damals hieß.
    Lieben Gruß
    Uta

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