Mittwoch, 4. November 2009

Zu Hause sein

halb sechs Weckerklingeln
der Marathon beginnt mit
Kaffee, Frühstück, Schulbroten
Kinder wecken (mühsamst, wie jeden Tag)
waschen, anziehen, frühstücken etc.
kurz nach sieben ins Auto
Kinder wegbringen
Schulankunft: kopieren, Versuche aufbauen
4 Stunden unterrichten, ohne Pause
nach der Stunde tausend Fragen meiner 12er beantworten
im Dauerlauf zur Fluraufsicht (zu spät, schon wieder verstecken sie sich zu fünft in einer Toilette, die Mädels - warum bitte ist es so schlimm auf den Hof zu müssen?)
Besprechung mit Kollegen: schwierige Klassensituation
Besprechung mit Praktikantin: nächste Unterrichtsstunde planen
Besprechung mit Kollegin: gemeinsame Klausur für Freitag abgleichen
erste Freiminuten des Tages gegen 14 Uhr: knapp zwanzig Stück
Schokolade und Kaffee (als Doping) einwerfen
Teamsitzung Unterrichtsqualität bis halb fünf (effizient, aber ich gehe am Stock, als wir fertig sind)
Heimfahrt
Sohn mit Regensachen ausstatten - kommt aber mangels Nachbarskindern umgehend zurück
Sohn trifft Verabredungen am Telefon, ich werde zum Verabredungs-Feintuning benötigt, mehrfach
zwischendurch aufgewärmtes Essen reinschieben
Tochter wecken (wenn ich nachmittags Schule habe, darf sie immer besonders lange schlafen, wohl damit ich abends länger was von ihr habe - *grummel*)
Tochter hat extrem schlechte Laune, wie immer nach nem Mega-Mittags-Schlaf
Sohn bekommt extrem schlechte Laune, weil er die Kerzen nicht angezündet bekommt
die Kinder kreischen sich an, welches Buch jetzt vorgelesen werden soll (hatte ich was von vorlesen gesagt?)
ich sinke auf dem Sofa zusammen
...
...
...
und dann - wie eine Eingebung - Arme ausbreiten:
"Also los: Wer möchte zuhören?"
und je ein Kind schlüpft unter einen meiner Arme
vor mir mein Latte macchiato und die Kerzen
wir entscheiden uns für "Juli und die Liebe"
die Kinder stoßen sich neckend mit den Köpfen und kichern
Zu Hause!

Und wie ich da so sitze, inmitten meiner Kinder- und Kerzenwärme, werde ich plötzlich wie geflutet von der Einsicht, dass nur das in meinem Leben von Bedeutung ist, was ich für mich groß sehe, was ich groß mache. Dass Dinge aufhören mich zu beherrschen, wenn ich sie kleiner mache. Oder besser: wenn ich die Dinge, jedes einzelne, als Träger von Großem sehe, werden sie groß, wichtig, wesentlich. Dann werde ich von ihnen nicht beherrscht, sondern lebe mein Leben in ihnen. Sei es auch noch so anstrengend, für den Moment, noch so marathonhaft.

Gerade an solchen Wirbeltagen ohne Punkt und Komma vermögen Momente wie unser Innehalten in der gemeinsamen Wärme mich zu tragen, und wenn es nur wenige Minuten sind. Auf alles andere strahlen sie aus, diese Licht-Minuten. Auch solche Tage können sich mir als wahrhafte Zu-Hause-Tage schenken ... oh!

Und mit diesem in mich einströmenden In-mir-Sein beginne ich den zweiten Teil meines Marathons ganz anders als heute morgen noch: heller, wacher, freudiger, erfüllter, stimmiger, größer

Abendessen bereiten und essen
Küche aufräumen, die Kinderzimmer heute nur notdürftig
Abendritual im Bad
Vorlesen bei der Tochter
Kuschel-Sessel-Gespräch beim Sohn
Email an meine 12er (letzte Klausurinstruktionen und Musterlösungen)
dienstliches Telefongespräch mit einer Schüler-Mutter
Geburtstagstelefongespräch mit meiner Patenkindmutter
noch ne Geburtstags-Email
keine Idee für ein Geschenk, das bald akut wird (Top vorerst nach hinten geschoben)
Schultagsnachbereitung
(irgendwo hier dazwischen schreibt sich mir dieser Text)
Unterrichtsvorbereitung für 4 Stunden
(und das alles möglichst nicht wieder bis halb zwei)
...
...
...

Schon gleich ahnend, dass für weitere Urlaubsbildergedanken heute keine Zeit mehr bleiben wird (es gibt noch sooo viele Bilder und sooo viele Gedanken in mir dazu, nur Geduld, bitte).
Und im gleichen Atemzug ahnend, dass mein heutiges Erleben des Getragenseins eines der inneren Bilder ist, welche sich aus der letzten Woche nähren, auch aus der letzten Woche. Und dass die Farben in mir, die diesen Tag auf so wundersame Weise, so gänzlich unerwartet zum Leuchten gebracht haben, etwas zu tun haben mit den Farben, die ich Euch kürzlich hier zeigte. Irgendwie.

Ein guter Tag.
Wahrlich zu Hause, in mir.

3 Kommentare:

  1. liebe uta,
    ich habe das gefühl unsere gedanken werden ab und zu vom selben wind erfasst und bewegen sich darin, wie es jeder von uns entspricht.
    dein bild von "groß und klein denken" gefällt mir sehr.
    generell finde ich dein blog, deine gedanken für meinem weg sehr bereichend. einfach mal "danke" fürs teilen.

    liebe grüße heike

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  2. Liebe Heike,
    einfach mal danke zurück - dass Du mir das so sagst, und dass es mir umgekehrt mit Deinen Texten ja genauso ergeht. So oft würde ich Dir so gern etwas schreiben dazu, tiefer mich hineinversenken, neue Gedankenkeime in mir wachsen lassen ... Irgendwie sind da immer meine Kapazitätsgrenzen. Aber auch die werden für etwas gut sein, vielleicht gestatten sie Reifen im Stillen, was erst später Sicht- oder Lesbares hervorbringt ...

    Herzlichen Gruß aus einer heute sehr herbstlich-bunt-sonnigen Welt vor meinem (Schul)Fenster
    Uta

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  3. liebe uta,

    was du über kapazitätsgrenzen gesagt hast, denke ich auch. es reift sicherlich vieles im stillen.
    und momentan geht eben, was geht mit den kleinen kindern, mit dem leben im hier und jetzt...

    nachmittagsgrüße von heike

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