Dienstag, 3. November 2009

Die kleine Überforderung zwischendurch

Soeben geschehen, in der Schule, Versuchsaufbau für die nächsten Physikstunden.

Womit ich die Dreiviertelstunde verbracht habe? Geschätzt, nach gefühlter innerer Uhr, vergingen etwa

3 Minuten
damit
dutzende Utensilien aus 5 Schränken zusammenzusuchen und auf dem Experimentierwagen aufzubauen, für etliche Freihand-Experimente;

5 Minuten
damit
die Vakuumglocke mit Pumpe aufzubauen, zu verkabeln, den Motor nachzuölen, Funktionstest durchzuführen;



12 Minuten
damit
an einem Oszilloskop (ein Gerät, mit dem man u.a. Schallschwingungen sichtbar machen kann; hab jetzt extra ein Bild aus dem Netz gesucht, damit Ihr wisst, wovon ich rede, und seht, dass ich nicht übertreibe, wenn ich behaupte, dass das Ding etwa 30 Knöpfe hat) das Mikrofon anzuschließen (es gibt viele Buchsen – da fing’s schon an), an den – wie gesagt – 30 Knöpfen des Geräts so lange herumzuverstellen, bis die gängigen Frequenzen unseres Hörbereichs gut und unverwackelt sichtbar wurden (oh man, kann mir bitte mal jemand verraten, was ich da alles eingestellt habe??? – die konsultierten Physik-Kollegen konnten es auch nicht);
singenderweise reine, sinusförmige Schwingungen im Vergleich zu obertonreichen zu erzeugen, Vokalfärbungen sichtbar zu machen, Schwebungen, Töne, Akkorde und Geräusche darzustellen etc. etc.
(ein akustisches Mäuschen muss seine wahre Freude an mir gehabt haben, ich hoffe es habe sich kein Kollege in einer anderen Ecke des Vorbereitungsraumes versteckt während ich lautierte :-)) – und ich entschied währenddessen, dass ich für den morgigen Unterricht meine Okarina und diverse Flöten mitnehme, denn der Mut, seine (Sing)Stimme vor 33 13jährigen preiszugeben, der muss einem erstmal gewachsen sein – doch ich schweife ab …)

und
(jetzt kommts)


mindestens 25 Minuten
damit
mein Handy zu bewegen, einen Klingelton von sich zu geben, welcher die folgenden Bedingungen erfüllt
- kehrt nach wenigen Minuten wieder, auch wenn man zwischendurch nix am Handy verstellt (Snooze oder wie das heißt)
- vibriert nicht (sonst rutscht mir das Teil im Laufe des Versuchs von der dämpfenden Unterlage, und ich komme nicht heran, denn es soll ja im Vakuum liegen und klingeln)
- ist aus dem nur groben „Vakuum“ heraus, das unsere Schul-Minipumpe erzeugen kann, nicht mehr zu hören
- ist aber unter der bloßen Glasglocke durchaus gut zu hören (sonst überzeugt‘s ja nicht, dass sich im Vakuum kein Schall ausbreiten kann)

Tja, da stand ich nun mit meinem Handy, nachdem ich das Oszilloskop so großartig bezwungen hatte, und fühlte mich ganz klein und verloren inmitten der tausend Menü-Einstellungen, die alle nicht das bewirkten, was ich eigentlich wollte. Geschlagene 25 Minuten lang, mehr als alle anderen Versuchsaufbauten zusammengenommen.

Hmm.
Kann es sein, dass uns die heutigen technischen Gebrauchsgegenstände ein wenig überfordern mit ihrer Komplexität und ihren siebenunddreißigtausend Funktionen?
(Denn: wer von uns sitzt nicht von Zeit zu Zeit komplett hilflos vor diesem Ding hier, mit dem wir gerade im Moment kommunizieren, welches so oft nicht tut, was es soll, dessen inneres „Leben“ wir schon lange nicht mal ansatzweise mehr verstehen?)
Kann es sein, dass wir einen ziemlich großen Teil unserer Kapazitäten darein investieren (müssen)?
Kann es sein, dass die jungen Menschen, die anscheinend so viel besser mit Handy&Co umgehen als wir, als ich insbesondere – kann es sein, dass die dann eigentlich locker auch die Physik und ihre Geräte verstehen müssten (obwohl immer alle das Gegenteil behaupten)? Wie gesagt, wenn sie sogar ihre Handys bedienen können?
Oder vielleicht richten sie ihre Kapazitäten einfach lieber auf Handys als auf manch anderes, zum Beispiel Physikunterricht. Was ich durchaus verstehen kann. Nicht wegen meines Unterrichts. Sondern weil wir alle uns ja entscheiden müssen, wohin wir unsere Kräfte bündeln …

Waren nur so Gedanken, aus meinem Alltagsgeschäft heraus. Dem ich mich jetzt gleich wieder zuwende, nachdem ich hier meinen kleinen Zwischendurch-Frust abgelassen habe.

Übrigens: Ich freue mich auf die fragenden bis erschreckten Schüleraugen morgen, wenn ich das Handy da unter die Glocke lege: Ob dem denn im Vakuum nix passieren würde?
Nö, werde ich wie jedesmal sagen, keine Angst. Außerdem sei es ja meins.

Und wenn ihm doch was passieren sollte – denke ich mir gerade – dann kaufe ich mir eben wieder ein Schnurtelefon. Mit Wählscheibe (sagt jetzt nicht, Ihr kennt die nicht mehr?!) und ohne weitere Tasten. Denn die konnte sogar ich perfekt bedienen.

2 Kommentare:

  1. Liebe Uta,

    herrlich! Würde mein Mann nicht schon hinter mir im Bett schlafen hätte, ich laut gelacht!
    Der Oszillograph, das geheimnisvolle "Wesen" vor uns. Getoppt aber noch vom Handy.

    Ich hoffe du hast dir alle Einstellungen am Oszillographen notiert, fürs nächste Mal! Das kann man ja auch, ohne zu wissen, was sich hinter den 30 Knöpfen verbirgt. Dieses Gerät ist eben eine typische "Black box", also wenden wir gleichlautende Methode der Physik an.

    Danke für diesen erfrischenden Text!

    Susanne

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  2. Ja, Susanne, zum Glück habe ich mir alles notiert, erstmals, und in Klarsichthülle abgeheftet. Auch die Gerätenummer, denn gemeinerweise haben wir drei verschiedene Typen in unseren Vorbereitungsschränken.
    Und wie gut das war: Hat mir doch gleich am nächsten Tag ein Kollege mein Gerät vom Wagen "geklaut", noch bevor ich alle siebten durchunterrichtet hatte.
    Lieben Gruß
    Uta

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