Montag, 30. November 2009

Mein Garten

Nachdem ich gestern von der ganz anderen Bedeutung des Wortes erfahren habe, wage ich nicht mehr, dieses Post "Adventsgarten" zu nennen. Wagte es noch nicht einmal, es am gestrigen Tage einzustellen, am Adventssonntag.
Nun also heute: mein gestriger Garten - weniger leuchtend als der andere vielleicht, aber eben meiner.

Ich fand in ihm Pflanzen,

welche in einem sehr eigenen Rhythmus leben,



welche Halt suchen



und Halt finden (und sei es auch nur an einem kargen, grauen Gerüst),



welche die Stufen von ungewohnter Seite her überwinden,



welche die große Sonne durch warmes Sonnengelb ersetzen.



(Und dann fand ich da noch mein eigenes Pflänzchen, welches in einem unbemerkten Moment, während ich mit der Kamera durch den Garten strich, in echten Winterschlaf verfallen wollte ;-))



Über all dem der weite Himmel.



Ich wundere mich einmal mehr:
Wenn es so ist, dass alles, was ich sehe,
einem in mir Erlebten gleichkommt,
dann sehe ich es ja nur scheinbar dort draußen,
dann lebt all dieses in Wirklichkeit in meinem Inneren.
Ja, nichts Gesehenes dringt von außen in mich ein,
sondern ich sehe es in mir selbst.
Weil mein Erleben nicht im Außen geschieht,
sondern immer nur im Innen.

Dann strömt das alles nicht von außen nach innen,
sondern umgekehrt: von innen nach außen.
Was in diesem Fluss noch alles mitströmen kann ...

Gerade wird mir ganz schwindelig,
vor Staunen, vor Nichtbegreifen, vor Demut, vor Freude.



PS.
Diese Worte haben sich jetzt über zwei lange Tage geformt. Schritt für Schritt, mit Tränen und Ringen auch. So lange, bis ich jetzt schließlich erkenne, dass ich aus dem allerersten Satz das "ganz anders" herausnehmen könnte, ersetzen durch ein "ganz ähnlich". Das tue ich aber nicht, weil darin eben die Geschichte des Textes besteht.
Wie wertvoll mir die Erkenntnis ist, dass ich hier meinen "ganz ähnlichen" Garten von außen nach innen und von innen nach außen beschreiten darf, das ahnt außer mir vielleicht niemand ...

Inspiration

(Kann man Regen einatmen?)



Wie
dieses Fließen vor sich wandelndem Hintergrund,
dieser beruhigende Trommelklang des Regens
von außen in mich hinein
dringt, strömt, flutet,
-
da
spüre ich plötzlich:
ein Rinnsal zunächst,
dann ein singender Bach,
eine Gegenbewegung
von innen nach außen.

Zwei Bewegungen,
einander bedingend ...

Samstag, 28. November 2009

regensonnedunkelhellschattenlicht

Heute vormittag, bei uns vor der Tür.
Der Regen tröpfelte mir auf Kopf und Schultern,
die Sonne, tiefstehend, blendete.
Und ich wusste nicht:

Sehe ich Schatten ...



... oder sehe ich Licht?



Ist der Regen dunkel ...



... oder ist er hell?



Doch, ich weiß ja:
Beides, immer.

... und sonst so heute:

Mehlmottenbefreiungsschlag.
Wenn schon, denn schon. Da kann man nicht zwischendurch irgendwo aufhören, das muss man durchziehen, auch wenn dann der Vormittag rum ist :( Ich wurde mit zahlreichen Überraschungsfunden belohnt ...

Das am kompliziertesten zu reinigende Versteck:
in den Ritzen der Brotmaschine

Das verblüffendste Versteck:
in Knoblauchzehen (iiihhh - die müssen doch genmutiert sein?!)

Das hinterlistigste Versteck:
in der aufgerissenen Packung Mottenfallen, in der noch der zweite Ballen Duftstoff, unverpackt, auf seinen Einsatz wartete - dort herrschte fröhliches Getümmel ...

Wenn ich jetzt nicht alle habe, dann weiß ich auch nicht ...

Die geplante Teigherstellung musste daher auf den späten Nachmittag, nach dem Basar verschoben werden. Die Kinder quittierten dies mit entsprechender Laune, in ausdauernder Penetranz dargeboten. Ich zickte zurück, leicht lautstark. Der Sohn rächte sich, indem er dieses uns allen bekannte Lied, welches mit einem langgezogenen "Iiiiiin der ... (und dann folgt ein fünfsilbiges Wort, welches auf W beginnt und auf i endet ...)" auf dem Klavier improvisierte. In sehr innovativer Harmonisierung auch noch. Puh!

Die Laune besserte sich allseits wieder, als wir erstmal auf dem Basar im Kindergarten waren. Immer wieder große Dankbarkeit, wie wunderbar unsere Kinder dort aufgehoben sind (bzw. waren), ein schöner Nachmittag.

Und die Aktion Teig sind wir tatsächlich im Anschluss noch angegangen, mit Begeisterung und Ausdauer auf Seiten der Kinder:



Da der Tom-Sawyer-Huckleberry-Finn-Trick (Wer von Euch will die Schüsseln abwaschen - ach nein, Du jetzt nicht, Du durftest doch vorhin schon die Gläser spülen ...) im Moment bei beiden Kindern perfekt funktioniert, war es für mich richtiggehend erholsam.

Voilá - soweit das Resultat unserer Rührbemühungen, welches jetzt erstmal im Keller deponiert wurde:

Freitag, 27. November 2009

Erschöpft

So'n bisschen Kinder,
so'n bisschen Haushalt,
so'n bisschen malen mit der Tochter,
so'n bisschen Essen machen,
so'n bisschen Hausaufgaben mit dem Sohn,
so'n bisschen Wäsche waschen,
so'n bisschen Streit schlichten,
so'n bisschen Küche aufräumen,
so'n bisschen Kinder chauffieren,
so'n bisschen einkaufen,
so'n bisschen dienstlich mailen,
so'n bisschen bügeln,
so'n bisschen gemeinsam basteln,
so'n bisschen Abendritual,
so'n bisschen den morgigen Tag planen,

und ich fühl mich, als wär ich 'nen Marathon gelaufen.

Dabei war ich heute noch nicht mal in der Schule.
Dabei habe ich nichts von all dem zu Ende gebracht - das Haus ist voller unausgeräumter Spülmaschinen, unzusammengelegter Wäscheberge, nichtweggebrachter Mülleimer, nichtkorrigierter Klassenarbeitsstapel, unaufgeräumter Bastelreste. Und die Mailbox voller unbeantworteter Post.
Dabei waren die Kinder heute außerordentlich kooperativ, hilfsbereit, haben ihr Bestes gegeben, mir Arbeit abzunehmen.

Ihr da draußen, mit euren Großfamilien, oder mit eurer Vollzeit-Arbeit, wie macht ihr das bitte???
Ich glaube, wenn ich hier auch nur ein halbes Kind mehr zu versorgen hätte - ich würde manchmal zusammenbrechen. Heute zum Beispiel.

Und jetzt schenke ich mir zum Abend eine Spazierrunde mit Mond- und Sterne-Blick. Und entscheide auf dieser, ob ich anschließend auf dem Sofa lieber Gewaltfreie Kommunikation oder Rilke-Briefe oder Ronja Räubertochter zu mir nehme.
(Ich glaub, ich bin schon entschieden ...)
Gute Nacht!

Donnerstag, 26. November 2009

Stimmlos

Es ist eine nicht ganz neue Erfahrung für mich, aber diesmal trifft sie in einen besonderen Moment hinein. Mir ist die Stimme weggeblieben. Einfach so, keine Erkältung, kein Krankfühlen, kein Sonstwas, seit gestern einfach immer heiserer geworden, Druckschmerz beim Sprechen, und dann ganz weg.

So ließ ich mich gestern aus der Schule entlassen und bleibe heute und morgen zu Hause. Krank.ge.mel.det!
Und das ich!, die mit Fieber vor der Klasse zu stehen und komplette stimmlose Schultage mit nonverbalen Ruderbewegungen zu bewältigen gewohnt ist und die immer meint, ohne sie stürze in der Schule auch ganz gewiss alles ein ... ich! also habe mich krankgemeldet. Und hatte noch nicht mal ein schlechtes Gefühl dabei. Die Ruhepause tut gerade in diesen Tagen besser als gut.
Ich hatte es ja versprochen. Und nun bin ich ein kleines bisschen stolz, weil ich es wirklich getan habe :) (Das nur am Rande).

Nachdem also zu Hause zunächst geklärt werden musste, dass ich nicht zusätzlich noch eine Hörbeeinträchtigung erlitten habe und daher mit mir ganz normal, also mit Wörtersprache kommuniziert werden kann (... witzig, wie alle die Zeichen- und Zeigesprache immer gleich aufgreifen, wenn man es ihnen nur vormacht ...), beobachte ich aus dem Schweigen heraus die Reaktionen meiner Familie.

Die Tochter:
Wenn ich flüstere (ich weiß ja: soll man absolut nicht, geht aber doch manchmal nicht anders?!), flüstert sie auch. Süß, die Kommunikation wird gleich viel inniger.
Ansonsten nimmt sie es gelassen, zitiert sich sehr resolut den Papa zum Vorlesen herbei und weist in der Wartezeit - denn erst ist der Sohn dran - mich an, das Bilderbuch mit ihr schon mal anzuschauen, denn schauen und umblättern könne ich ja schließlich noch (boah - wörtlich sagt die das so ...).

Der Sohn:
"Das macht voll Spaß mit der Zeichensprache", und denkt sich am laufenden Band neue Zeichen für mich aus. So viele, dass sie meine Merkfähig- und Gebärdenfreudigkeit bei weitem übersteigen.
Außerdem ist er ganz gut als Telefonier-Assistenz einzusetzen. Wiederholt für mich, was derjenige am andern Ende der Leitung sagt und liest brav vor, was ich dann aufschreibe.

Der Mann:
Beginnt mit dem Sohn ein Gespräch darüber, warum die Erde rund sei. Ich kann nicht an mich halten und will mich mit meinem Sachwissen einmischen. Aber der Versuch scheitert: Die Männer können einfach nicht so schnell lesen, wie ich meine Gesprächsbeiträge aufschreibe ;-)) Sie beschließen, das Thema zu vertagen. (bis sie besser lesen können, oder wie?)

Nach zwei Tagen zieht der Mann übrigens das Fazit, dass es doch ganz schön erholsam sei, wenn einer am Tisch weniger rede. Ok, er meinte das als Scherz, aber mir fällt auf: Es ist viiiieeeel ruhiger bei uns, richtig wohltuend. Was heißt das jetzt über meine Rolle in der innerfamiliären Kommunikation? Warum hören die Kinder jetzt plötzlich auf zu streiten, zu jaulen, zu singen, zu kreischen, sich anzuschreien und was sie sonst noch so lautieren beim Abendessen??? Das interessiert mich wirklich, welche Zusammenhänge da greifen ... Stimmlosigkeit als Beruhigungsmittel?

Und noch über etwas anderes denke ich nach.
Gestern, wie ein Wegweiser, diese Worte: Während du das Erwartete vergebens suchst, tut sich dir ein ganz Anderes auf.
Heute nun durch meine eigene Stimme konkretisiert: Wenn du dich in der altgewohnten Sprache nicht verständlich machen kannst, musst du dich einer anderen bedienen.
Hm.
Soll ich nun hoffen, dass meine Stimme auch morgen nicht zurückkehrt, damit ich mich darin noch ein wenig üben kann?

Vom Suchen

"Wenn ich in der Leere nach etwas suche, was gar nicht da ist, entdecke ich auf einmal etwas, was ich sonst gar nicht gesehen hätte."

(Das Urheberrecht liegt nicht bei mir, allerhöchstens indirekt: weil ich nämlich einen Email-Anbieter habe, der diese treffende Erkenntnis erst ermöglichte ;-))

Mittwoch, 25. November 2009

Spiegel-Licht

Wenn man sich - erstmals seit langer Zeit - zugesteht, dass Tränenbäche nicht im nächsten Moment mit einem "ist schon wieder gut" unterbunden werden müssen, dann tut das gut, schwer gut. Zumal, wenn von allen Seiten Worte geflossen kommen, die Alt-Ruhendes anzustoßen, auszulösen, aufzubrechen vermögen.

Wenn einen dann des Nachts ein innerer Donnerschlag wachrüttelt und die Luft aufklart wie nach einem Gewitter, dann fühlt sich das genauso gut an. Dann fühlt man sich wie unter einen neu geweiteten Himmel gestellt. Einen mutmachenden, der neue Sichten eröffnet, neue Schritte ermöglicht.

Dann kann es schon geschehen, dass sich am Morgen im Spiegel - hier in der Fensterscheibe des Nachbarn - ein Lichtlein zeigt.

Und wenn dann der sogenannte Zufall noch dafür sorgt, dass man anders als sonst mittwochs erst kurz vor Acht aus dem Haus muss, weil eine Stunde ausfällt, dann kann man dieses Licht sogar sehen. Morgens, in den beginnenden Tag hinein.

Da!


Heute vormittag ...

... stand hier noch das Protokoll eines nächtlichen Erkenntnisgewitters.

Es tat mir gut, solche Klarheit in mir zu spüren und sie in Wortform herauslassen zu können. Das schafft Raum für Neues.

Gewitter reinigt - dafür bin ich dankbar.

Die starke Frau

...
...
...

Dienstag, 24. November 2009

schattig



(Da IST irgendwo ein Licht ...)

Montag, 23. November 2009

Trostes-Sehnsucht




Josef Rheinberger: Abendlied
(Bleib bei uns, denn es will Abend werden ...)


Bei 3:00 könnt Ihr ausschalten - danach kommt nichts Wichtiges mehr, ich weiß nicht, warum die Aufnahme dann noch so lange weitergeht.

Freitag, 20. November 2009

Plötzlich, sehr

Irgendwo in mir muss es ein kleines unsichtbares Gefäß geben, eines, in das sie hinein- und hinein- und hineintröpfeln, meine Tränen.
Haben solche Gefäße eigentlich Dämme, die plötzlich brechen können?
Oder sammelt sich in ihnen - von mir unbemerkt - immer wieder so viel an, dass es unvermittelt überläuft?

Heute. Einfach so, unerwartet, heftig. Bei einer kurzen Autofahrt, Kinder hinten drin, ich vorn am Steuer, geschüttelt. Irgendwie kamen wir nach Hause.

Das Schwierige daran ist, dass ich ja "nichts" habe, was mir geschehen ist - von außen gesehen, jedenfalls. Wie viel einfacher stelle ich es mir vor, der Umwelt seine Tränen zu erklären, wenn es wenigstens einen einsichtigen Grund dafür gibt.

Ich könnte höchstens antworten: "einfach so".
Das aber ist "net an Antwoat", wie selbst die Tochter schon weiß.
Und der Sohn bemerkt: "Mama, es macht gar keinen Spaß mehr mit dir. Du hast heute nur ein einziges Mal gelacht."

Nein, Spaß macht es mir auch nicht.
Ach.
Traurig.
Aber sowas von plötzlich. Sowas von sehr.

Zensur vs. Seelsorge

Wenn eine Praktikantin in einer Klasse, in der sie eine zeitlang unterrichtet hat, einen Feedbackbogen über ihren Unterricht und ihr Auftreten ausfüllen lässt,
und wenn ich ahne oder weiß oder mitgeteilt bekomme, dass die Schüler, die lieben kleinen, diesen nutzen, um ihre Meinung mit netteren ("scheiße angezogen", "saugeile Titten") oder weniger netten (ähm ... die schreibe ich jetzt hier mal nicht auf) Formulierungen zum Ausdruck zu bringen
---
Soll ich dann:

a) die Bögen erstmal einer Zensur unterwerfen, bevor ich sie der Praktikantin zurückgebe, um diese zu schonen?

oder

b) sie der Praktikantin aushändigen, aber gleich ein seelsorgerliches Gespräch führen, dass sie es nicht persönlich nehmen solle?

oder

c) sie ins offene Messer laufen lassen, getreu dem Motto: Wenn sie das nicht aushält, ist sie für den Lehrerberuf sowieso nicht geeignet?


Für jede Meinung bin ich dankbar.


Auch wenn es für diesmal schon zu spät ist:
Die Praktikantin hat die Bögen schon, unzensiert, ich war naiv genug, die Klasse schreiben zu lassen und es unbesehen weiter zu reichen. Erst hinterher kam eine Schülerin mit Tränen der Angst (und der Reue?) zu mir, weil jemand anderes auf ihren Bogen vor der Abgabe noch etwas draufgeschrieben hätte ...
Ich konnte in einem geduldigen Gespräch herauslocken, was auf den Zetteln steht, und wer es geschrieben hat. Vermutlich ist das nur die Spitze vom Eisberg, denn die Klasse weist - ich nenne es mal so, wie ich es jüngst in einem anderen Lehrerblog sehr treffend formuliert fand - schon eine ziemliche "Persönlichkeitsdichte" auf.
Was wir (Klassenlehrerin und ich) nun mit den Schülern machen, steht auf einem anderen Blatt.
Fakt ist: Die Praktikantin sitzt jetzt vermutlich fassungslos mit den Rückmeldungen zu Hause. Die Arme.

Donnerstag, 19. November 2009

Berg und See

Seit unserem Urlaub treiben mich Berg und See um. Versuche ich in mir Klarheit zu gewinnen, was ich erzählen möchte. Es ist nicht einfach. Ich schaue immer wieder meine Bilder an, sinne über Berg und See nach.

Nein, einfach ist es nicht. Aber ich schaue und suche und lausche in mir und sehe – auf den Bildern zunächst …


wie die ruhige, glatte Wasseroberfläche und die unruhige, raue Berggestalt einander in harmonischem Wechselspiel bedingen,



beide wissend oder besser: ahnend, dass sich das vom Sturm aufgepeitschte Wasser zu anderer Zeit auf die Seelenruhe des Felsens wird verlassen können.



Ich sehe, wie das Wasser dem Berg Licht schenkt, wie es schattige Hänge mit Spiegellicht erhellen kann,



und wie der See manchmal erst sichtbar wird, weil sich der Berg in ihm spiegelt. Macht das den Berg größer, bedeutender?



Gibt der Spiegel dem Berg zuweilen eine andere – seine wirkliche? – Gestalt?



Ich sehe, wie der See den Berg umhüllend birgt …



… oder verleiht erst der Berg dem See die auszufüllende Form?



Er, der See, schleift an ihm, dem Berg. Nimmt Sand und Gestein mit sich, legt es an anderer Stelle nieder, gestaltet dabei die Form immer wieder neu.
Und der Berg leistet Widerstand --- ohne welchen es keine gemeinsame Form gäbe.




Und nur wo beide sich berühren, im schmalen Uferstreifen zwischen Wasser und Fels, nur wo beide ineinander übergehen, ist Veränderung, wächst neue Form, wächst Leben.



Es gibt ja Brücken zwischen den beiden.



Über beiden wölbt sich der gleiche Himmel, ein gemeinsamer Himmelsbogen.


Einer ist ohne den Anderen nicht der, der er wäre.

Und noch etwas, das ich, weil es so unsichtbar geschieht, oft vergesse:
Ist der See gleichsam ein Meer von Tränen,
nährt er sich doch von winzigen Tröpfchen, die aus dem Berg hervorquellen. Und aus den Regenfluten von Wolken, die erst vom Berg eingeladen werden, sich hier zu entladen.
Weinen beide irgendwie stets gemeinsam …



Langsam, mehr und mehr begreife ich:
Ich bin beides, ich kann beides sein. Jeder von uns ist beides. Wir können unsere Rollen tauschen und wechseln. Berg und See schwingen miteinander, zuweilen verschmelzen sie.

Nur in der Bewusstwerdung dieses steten Wechselspiels finden wir zusammen, können wir uns in der Beziehung begegnen.
Nichts ist starr, ich darf mich nicht in einer der beiden Rollen gefangen sehen. Morgen schon kann ich sein, was der andere heute noch ist. Und umgekehrt.

Sanftmut heißt der Weg. Sanftmut in alle Richtungen.

Und doch:
Es ist nicht einfach. Nein, überhaupt nicht einfach.

Mittwoch, 18. November 2009

Spätes Uff

Von 7.30 bis 21.15 an der Schule.
Zwischendurch zwei Minipäuschen, wo die Heimfahrt nicht lohnt.
Warm essen und bequem sitzen in der Schule: Fehlanzeige.

Zu Hause fröhliches Kinderleben.
Versuch, der Tochter (die war immerhin schon im Schlafanzug) T-Shirt und Hemd unter dem Schlafanzug auszuziehen: Riesengeschrei.

Klar, die Mama kann ja keine Ahnung haben: Wer mehr als 14 Stunden arbeiten geht, weiß einfach nicht mehr, was zu Hause gerade Mode ist :-((

(Meinen für heute geplanten Text gibt´s dann morgen.)

Dienstag, 17. November 2009

Vor nunmehr einer Woche ...

... und zwanzig Jahren stand die Mauer nicht mehr. Vor einer Woche und zwanzig Jahren war der Tag gekommen, dass wir da draußen in Moskau es auch endlich erfahren durften.

Ich kann mich nicht erinnern, woher ich gerade kam, als am Ende des langen Ganges die Menschentraube vor der DDR-Wandzeitung mich vermuten ließ, dass etwas Besonderes geschehen sein musste. Ich weiß nicht mehr, von wem und mit welchen Worten ich es dann erfahren habe.

Mir bis heute aber gegenwärtig: meine Ungläubigkeit in dem Moment. Absolute Ungläubigkeit. Ein einziges Kopfschütteln: „Das kann nicht sein.“
Und dann Skepsis: „Morgen ist sie wieder zu.“
Und ein – jetzt vermutlich unverständliches – „ach nein“, mit einer gewissen Enttäuschung verbunden.

Sagte ich ja kürzlich schon, dass wir da draußen in Moskau Träumer waren, gewissermaßen. Hatten wir doch nicht täglich 7 Fernseh-, 17 Radionachrichten, 10 Zeitungen und 3 Demonstrationen zu „absolvieren“, blieb uns doch tagsüber und abends ausreichend Zeit, all die unerwarteten Vorgänge in der Heimat – soweit wir davon wussten – zu diskutieren. Blieb uns doch genug Zeit für Utopien über den nun einzuschlagenden „dritten Weg“, eine alternative Gesellschaftsform, die wir nun gemeinsam aufbauen wollten.
Dieser Traum von einem eigenständigen Land war in diesem Moment ausgeträumt. Das war uns blitzartig klar, während wir da noch an der Wandzeitung standen.
(Später gab es so eine Art Witz, dieser spontane Schabowski-Satz á la „denn sie wissen nicht was sie tun“ auf der Pressekonferenz sei der letzte Racheakt der alten DDR-Führung gewesen, damit sich nur keine neue Regierung halten könne ...)


Tja, aber unabhängig davon: Wie fühlte sich die neue Tatsache an?

Zunächst mal war da natürlich Bedauern, den Freudentaumel nicht miterleben zu können. Dieses steigerte sich später noch, als ich Filmaufnahmen von der Grenzöffnung, vom riesigen Straßenfest dieser Nacht, vom tränenüberfluteten Tanz der Menschen auf der Mauer sah. Es tut mir bis heute ein wenig leid, diesen besonderen Tag in meiner Stadt Berlin nicht miterlebt zu haben.

Das Bedürfnis, nun sofort nach Hause zu fliegen, um meinen Fuß auf die andere Seite der Grenze zu setzen, verspürte ich allerdings nicht. Einige von uns taten das, wohl schon am nächsten Wochenende, einfach um einmal „drüben“ gewesen zu sein. --- Seltsamerweise habe ich völlig vergessen, ob ich mich je mit jemandem, der von einem Besuch der „anderen Welt“ zurückgekommen war, über seine Eindrücke unterhalten habe. Nein, daran mag ich mich nicht erinnern.

Ich selbst blieb, wie viele andere, ganz ruhig in Moskau bis zum Ferienbeginn Ende Dezember. Allerdings kam bei uns das Gerücht auf, man dürfe die Grenze nur mit gültigem Visum übertreten, und dieses wiederum erhalte man nur auf Antrag und nach einer gewissen Bearbeitungsfrist – am Wohnort. In Moskau also. Und so kommt es, dass sich in meinem letzten (und im übrigen einzigen) DDR-Personalausweis dieser Visums-Stempel findet, mühsam errungen, denn in unserer Botschaft wollte sich zunächst niemand für zuständig befinden zur Erteilung eines solchen. Ob ich ihn jemals benutzt habe, weiß ich nicht mehr. Im Dezember ging man wohl schon per Durchwinken rüber, und im Juli 90, als wir aus Moskau zurückkamen, war der Stempel ebenso überflüssig wie ungültig ...





Im Dezember also war ich erstmals „drüben“. Nach zweitägiger Zugfahrt am Abend des 27. am heimatlichen Abendessenstisch gelandet, interessierte mich Westberlin zunächst überhaupt nicht. Es gab ja so viel anderes zu erzählen und zu sehen. Und ich hatte wohl auch Respekt vor diesem Schritt auf die andere Seite. Doch die Familie überredete mich, schon um noch das Begrüßungsgeld für dieses Jahr zu holen. (Noch wussten wir ja nicht, dass schon ein halbes Jahr später …)

So lief ich am Morgen des 28. zu Fuß genau über den Grenzübergang, auf den ich von meinem Kindheitshochhaus auf der Fischerinsel ein Leben lang geblickt hatte. Ich muss gestehen: es ging nicht ohne Tränen. Von meinen stundenlangen Wegen durch die Stadt habe ich vor allem in Erinnerung, wie bunt und geleckt mir alles schien (selbst in Kreuzberg). Das Gefühl der Fremdheit, das Gefühl im Ausland zu sein. Abends an der Friedrichstraße: Puh, endlich wieder zu Hause.

Das Postamt, auf dem ich mein Begrüßungsgeld abholte, würde ich heute nicht mehr erkennen. Aber was ich dort mitansehen muss, hat sich mir eingebrannt: dass Menschen ihre nur wenige Stunden alten Neugeborenen anschleppen, um für sie die 100 Mark zu bekommen, hatte man mir schon erzählt. Dass auch die alte Mutter, welche sich nicht mehr auf den Beinen halten kann, welche nur noch wimmert „lasst mich doch“ deswegen zum Schalter gezerrt wird – das war entsetzlich.

Mein Vater erzählte mir später fast noch Schrecklicheres: Wie an den kalten November- und Dezemberwochenenden die Menschen aus dem ganzen Land nach Berlin kamen, um Westberlin zu besuchen und dann abends vor lauter – ja, was eigentlich? – ihren letzten Zug verpassen. So dass sie auf dem Bahnhof sitzen und dort übernachten müssen. Darunter auch Familien mit kleinen Kindern!!! --- Sie nahmen wenigstens die Familien mit und boten ihnen einen warmen Schlafplatz im Gemeindesaal – wenn schon die Eltern nicht verantwortungsvoll für ihre Kinder sorgen …

Einige Male noch war ich im Januar in Westberlin, allein oder mit Freunden. Als Touristen suchten wir all die Orte auf, deren Namen und Straßennamen mir durch RIAS und SFB vertraut und immer doch unerreichbar gewesen waren. Immer wieder durchzuckte mich diese Ungläubigkeit, dieses „kneif mich mal, ich glaub, ich träume“.


Zwanzig Jahre ist das her. Mittlerweile ist viel geschehen, die Euphorie ist Ernüchterung und Enttäuschung gewichen, vielerorts. Vor allem die Generation meiner Eltern hatte es in der Folgezeit, bis heute eigentlich, alles andere als leicht. Verlust von Vertrautem, Arbeitslosigkeit, Ungerechtigkeit. Ja, schwierig.
Und dennoch werde ich immer ganz ungehalten, wenn mir solch nostalgische Rückschau begegnet, von wegen: „Das hätt‘s bei uns in der DDR nicht gegeben.“ Wenn beharrlich das Trennende betont wird, wenn ich bis heute gefragt werde, wie es mir im Westen gehe, wenn ich mich bis heute wie ein Dolmetscher zwischen den Welten fühlen muss, weil die Mauer in mancher Hinsicht höher ist als in der ersten Zeit.

Natürlich, ich habe es leicht zu sagen, es ist gut so wie es ist. Für mich kam der Mauerfall genau zum rechten Zeitpunkt. Ich war alt genug, um die Vorgänge bewusst mitzuerleben (wofür ich sehr dankbar bin – das erlebt man wohl im Leben kein zweites Mal), und ich war jung genug, um mich ohne größere Probleme im neuen Leben einzufinden, irgendwie.

Und doch – egal welcher Generation wir angehören – wir sollten dankbar sein.

Ich jedenfalls bin äußerst dankbar, dass ich ...
... nach dem Studium nicht auf einer verordneten Absolventen-Planstelle festsaß und dort eine „Führungsposition in der Zivilverteidigung“ übernehmen musste, wie es für alle Studierten vorgesehen war,
… nicht einen Trauschein vorweisen musste, um eine Wohnung zu bekommen und nicht mehr „Fräulein“ genannt zu werden (war man noch in der zweiten Zwanzigerhälfte ein solches, wurde komisch geschaut – man war wie gebrandmarkt, so empfand nicht nur ich es),
… letztlich doch noch Lehrerin werden konnte, ohne mich täglich verbiegen und selbst verraten zu müssen dabei.

Noch viel dankbarer aber bin ich für meine Kinder, dass sie ...
... im Sportverein Sport treiben können, ohne sich gleich für Leistungssport und Olympiavorbereitung zu entscheiden,
... in keinem Wehrunterricht mehr Uniformen tragen müssen,
... Staatsbürgerkunde und Fahnenappelle im Blauhemd nur aus dem Geschichtsbuch oder meinen Erzählungen kennen lernen werden,
… in der Schule kein Luftgewehr in die Hand nehmen müssen,
... keiner Klassenlehrerin ausgesetzt sind, die alle die Kinder „Wer von euch geht denn in die Kirche?“ nach vorn kommen lässt und die Klasse auffordert „Und jetzt dürft ihr alle mal kräftig lachen.“
... nicht zu Hause immer wieder Dinge zu hören bekommen, von denen sie genau wissen, dass sie die in der Schule nicht erzählen dürfen,
... nicht zu Staatsbesuchen und Maidemonstrationen verordneterweise jubeln gehen müssen,
... ihre Mitschüler nicht mit einem grundsätzlichen Misstrauen beäugen müssen, ob sie diesen den Witz nun erzählen können oder nicht.

Ja, dieses Misstrauen war das Schlimmste. Das stellten wir vor zwei Jahren auf unserem zwanzigjährigen Abitursklassentreffen während einer sehr intensiven nächtlichen Gesprächsrunde fest. Erstmals tauschten wir uns aus, wie sehr man uns dazu gebracht hatte, uns gegenseitig zu beäugen und zu misstrauen. Dass wir zwar Freundschaften und Beziehungen über die Fronten der politischen Gesinnung hinweg lebten, aber auch in diesen stets ein letztes Stück Verschlossenheit blieb – bleiben musste?
Seit diesem Klassentreffen reagiere ich noch ein Stück allergischer, wenn doch damals dies und das nicht so schlimm und dies und das sogar viel besser als heute gewesen sein soll. Nein! In dieses Misstrauen will ich niemals – niemals! – zurückkehren.
Und wie gut, heute zu erleben, dass das, was damals als Trennendes zwischen uns geschoben worden war, das Ideologische, heute keinerlei Bedeutung mehr hat, dass die wirkliche Nähe zu Menschen, zu Freunden, von diesen äußeren Umständen nicht angetastet werden konnte.

Dass die zwischenmenschlichen und geistigen Mauern verschwanden, vor zwanzig Jahren, ist mir genug für lebenslange Dankbarkeit.
Dass außerdem noch die äußere Mauer, die Landesgrenze fiel, so dass ich hier lebe wo ich heute lebe und zu einem Besuch ins Nachbarland fahren kann, wann immer ich will, das ist schon fast unwichtig dagegen. Es ist so etwas wie das i-Tüpfelchen des Mauerfalls. (Naja, und i´s mit Tüpfelchen sind doch besser als ohne, gell?)



PS.
Nun habe ich mich in Youtube festgeschaut, finde unzählige Videos mit Szenen jener Nacht vom 9. zum 10. November.
Zum Beispiel
eine eindrucksvolle Dokumentation, die mir sehr unsere damalige Stimmung in Erinnerung ruft - das Verhalten der Menschen ist mir so vertraut (und vielen, die sich das heute anschauen, vermutlich sehr fremd);
oder
die Tagesschau vom 10. November 89 , die ich noch nie gesehen hatte.

Uiuiui



Saftige Preise im Baselland!
(In Thüringen bekommt man´s billiger.)

Was fährt dieses Auto aber auch immer so schnell :-o

Sonntag, 15. November 2009

Sonntagswege

Heute war der richtige Tag für einen Spaziergang, die Seele wollte und musste einfach raus. Die ganze Woche hatte ich es nicht geschafft in den Garten zu schauen.

Fast ungläubig sah ich letzte Sommergrüße, ...





... viel sichtbarer aber waren die Boten des Abschieds, des Sterbens in der Natur.












Unser Weg führte uns hinaus, zunächst zu den von der Tochter geliebten Ziegen und Rindern (solange sie sich ihnen nicht nähern soll, und solange auch ich dem Zaun fern bleibe ;-) ) ...







... weiter über die Felder ...






... dann aber - irgendwie unwillkürlich - zurück, ...




... an jenen stillen Ort auf dem Hügel gegenüber unserem Haus, zu dem man nur ein paar Stufen hinaufsteigen muss, ...



... von dem aus man die Wiesen und Felder ...



... und unser Dorf, ...



... unser Haus ...



... und den Himmel ...



... in einem besonderen Spiegel sehen kann.



Hier bekommt alles eine andere Farbe, ...




... hier zeigt sich uns unser Weg auf ganz eindrückliche Weise, ...



... und hier kann man so deutlich sehen, wie alles zusammenhängt:
Weg, Farben, Abschied, Licht, und inmitten all diesem, ganz klein: ich.



Meine Gedanken wandern heute
zu Dir, H.
zu Dir, A.
zu Dir, M.
zu Dir, G.
zu Dir, D.
zu Euch, S. und R.
zu Dir, O.
zu Dir, R.
zu Dir, F.
zu Dir, C.
...
und jetzt, am Abend, dann noch zu jenem Künstler, dessen Konzert, in welchem wir eben sitzen wollten, heute "ganz unerwartet aus familiären Gründen" abgesagt werden musste - wer weiß ...

Und sie wandern zu meiner eigenen Familie, zu mir selbst, ins Innerste hinein.
Wäre ich bereit für den Abschied?
---
Wie nah er heute gekommen ist.
Und wie gut, dass wir so manches vorher nicht wissen.

Wie häufig müssen rings um mich Menschen "vor der Zeit", wie wir das nennen, Abschied voneinander nehmen.
Welche aber ist, welche wäre denn die rechte Zeit zu gehen?

(Meine Gedanken bleiben hier hängen und kreisen und kreisen und ... lassen sich heute kaum in Worte fassen .)

Wir können nicht begreifen, warum Menschenwege auf dieser Erde so früh, zu früh zu Ende gehen. Wir dürfen nicht vermessen sein und es verstehen wollen.

Einzig uns bewusst werden darüber, dass schon morgen, ja heute noch, auch ich ... oder du ... oder mein Kind ...
Nein, das dürfen wir nicht verdrängen.
Heute spürte ich, wie nah der Tod sein kann.

Einen Schlusssatz finde ich nicht.

Dafür dieses Bild: Geborgenheit.