Sonntag, 6. September 2009

Neue Wege



Dies sind meine neuen Wanderschuhe. Gestern gekauft.
Wir fremdeln noch etwas miteinander. So sehr, dass ich sie erstmal in den Keller gestellt habe. Mögen sie dort abwarten, bis ich sie heraushole, bis ich sie brauche.

Dabei müsste es Liebe auf den ersten Blick sein.
Einmal, weil sie mir fehlten: So lange schon hatte ich keine mehr, dass es Zeit wurde für neue. So lange habe ich sie vermisst, ohne sie noch zu kennen.
Zweitens, weil ich genau diese gesucht habe. Wie viele Schuhe habe ich probiert, ohne dass sie mir richtig passten, in wie vielen fühlte ich mich unwohl, oder nicht richtig wohl jedenfalls. – Erst bei diesen, bei der (gefühlten) siebenunddreißigsten Anprobe, war das richtige Gefühl da, das Gefühl, dass sich der Fuß und seine Behausung ergänzen.

Und dennoch: Ich wage noch nicht, sie als die meinen anzusehen.

Denn ich trauere den alten Schuhen nach …
… Im Frühjahr vor 16 Jahren wurden sie meine Begleiter. Damals trugen sie mich durch eine Zeit mit Wegen, die ich nie vergessen werde. Mehr noch als die Berge zeigte mir dieser Lebensabschnitt das Auf und Ab. Wie in unwegsamstem Gelände musste ich mich tastend, mit steter Behutsamkeit vorwärtsbewegen. Und erfuhr dabei mehr als je zuvor, wie ich mich von Zuversicht leiten lassen kann.

So viel Vergangenheit steckte in diesen Schuhen, so viele Altersfurchen waren ihnen eingegraben, als sie mir vor ein paar Wochen plötzlich den Dienst quittierten.
War es Zufall, dass dies ausgerechnet in der Asche des Vesuv geschah? War diese Asche – symbolträchtig – zu heiß, zu sehr vom Feuer noch berührt, dass ihre Hitze den müden Sohlen zusetzte? Mich bewegt, dass sich gerade hier oben am Kraterrand die Sohle löste (obwohl es sicher ein unbedeutendes Detail ist).



In dem Moment bewegte mich zunächst die Frage, wie ich nun wieder vom Berg hinunter komme.
Ich ging äußerst behutsam, und es gelang gerade noch so: bis zum Durchscheinen der Socke waren nicht mehr viele Mikrometer übrig.



Der andere Schuh hatte noch ein paar Schritte länger ausgeharrt, unten war auch er hinüber.



Es tat mir weh, dass mich diese Schuhe nun verließen. So brauchte ich einige Tage, bis ich bereit war, sie für immer loszulassen.



Ja, mit den Schuhen, scheint mir, lasse ich ein Stück Vergangenheit los. Eine wichtige, ungemein wichtige Zeit, die mich verändert hat und die deswegen auf das Kommende ausstrahlen wird. In welcher Weise ... das steht im Moment noch wie in einem Nebel als Fragezeichen vor mir.

Der erste Schritt für die künftigen Wege jedenfalls ist getan: Ich habe wieder Wanderschuhe. Auch wenn ich mit denen - natürlich - noch nicht warm werden konnte.

Zu unbekannt, zu ungewiss auch, ist mir das, was ich mit ihnen durchleben werde:
Welche Wege werden wir zusammen gehen?
Welche Berge und Täler durchschreiten?
Welche steinigen Pfade, welche sanften Wiesen betreten?
Welche Hindernisse werden uns straucheln lassen?
Welche Lieder werden uns tanzen lassen?


Und über allem, einem Bogen gleich, die Frage:
Werden es gute und richtige Wege sein, auf die uns unsere gemeinsamen Schritte führen werden?

Ich glaube, ich hole sie jetzt doch aus dem Keller und lasse uns zusammen auf die Hügel hinter unserem Dorf gehen, zum "Jungferngang" sozusagen … wenn die Familie einverstanden ist. Denn allein will ich mich nicht auf den Weg machen.

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