Sonntag, 9. August 2009

Mein Mädchen

Etwa seit sie auf dieser Welt ist, zeigt meine Tochter einen extremen Ordnungssinn, ausgeprägte Fürsorglichkeit mit ihren Nächsten und etwas, was man in höherem Lebensalter als "soziale Kompetenz" bezeichnen würde. Eigenschaften, die gemeinhin eher dem weiblichen Geschlecht zugeschrieben werden.
(Halt, kein Protest an dieser Stelle! - Ich weiß um die Klischeehaftigkeit solcher Zuordnungen und habe meine vorsichtige Formulierung mit Bedacht gewählt.)

Seit einigen Wochen nun besteht sie darauf, Röcke zu tragen, ausschließlich Röcke - bei jedem Wetter, in jeder Lebenslage. Dieser Wunsch führt desöfteren zu heftigsten Wutausbrüchen, etwa wenn ich für eine Reise keinen Rock eingepackt habe oder ihre (nicht sehr zahlreichen) Röcke und Kleider sämtlich in der Wäsche sind.
Seit ebenso vielen Wochen beobachte ich ihre immer stärker werdende Affinität zu Armbändern, Ketten, Glitzerschmuck und rosa Kleidung.
Und genauso lange äußert sie nun den Wunsch nach einem Zopf. Die Haare haben eine gewisse Mindestlänge erreicht, also warum nicht, dachte ich.

Vorgestern nun kaufte ich mit ihr die dafür notwendigen Utensilien. Während ich noch etwas rat- und hilflos vor der bunten Auswahl stand und den Einkauf sinnvoll-ökonomisch abzuwickeln gedachte, war unser Einkaufskorb in Windeseile vollgepackt mit glitzernden, primär rosafarbenen Haargummis, -spangen, -klemmen, -reifen, -ziersteinen, -bändern ... Wow, was es da alles gibt! (Dieses wow spielte sich gleichzeitig in meinen und den Gedanken der Tochter ab, nur mit anderem Vorzeichen behaftet ...)
Ich hatte Mühe, die Auswahl auf ein sinnvolles, haarlängen- und haardichteverträgliches Maß zu reduzieren. Es gelang schließlich, wenn auch unter einigem Protest.

Schon am Auto musste der erste Zopf gebunden werden. --- Wie die Tochter anschließend im nächsten Supermarkt umherstolzierte, den Kopf ruckartig von einer Seite auf die andere werfend, damit das Zöpfchen auch ja schön zum Schwingen komme - DAS hättet ihr sehen müssen!


Ich frage mich nun bei all dem, woher sie das hat. (Nein, ich möchte mich nicht in Erörterungen darüber verlieren, woher die Geschlechterbilder in uns und in der Gesellschaft kommen, wie sie tradiert werden ... nein, bitte keine ideologischen Grabenkämpfe an dieser Stelle.) Ich wundere mich nur wirklich, wie die Tochter sich ihr Selbstbild geschaffen hat. Denn wer mich und uns kennt, der weiß - und den anderen verrate ich´s hiermit -, dass man an meinem Kopf weder Haarschmuck noch eine besonders frisierte Frisur noch Schminke findet, dass mein Kleiderschrank kaum Röcke und nur äußerst wenige rosafarbene Stücke enthält, und dass bei uns der Papa der Hausmann ist. Woher also???

Nein, ich habe nichts dagegen, absolut nichts. Ertappe ich mich doch dabei, wie ich mich beim Kämmen der Tochter an meine langhaarige Puppe erinnere, die ich mit Inbrunst und Begeisterung frisiert habe, als ich klein war. Obwohl - oder gerade weil? - sonst in meinem Kinderzimmer nicht allzu viele Spielsachen wohnten, die man als "Mädchen-Spielzeug" bezeichnen würde (wieder eine vorsichtige Formulierung).

Bei der Tochter ist das übrigens ein wenig anders. Puppenhaus, Puppenküche und Puppenbuggy haben im letzten Jahr Einzug gehalten, das alles hatte unser Sohn nicht. Eine Puppe gibt es noch nicht, im Buggy fährt bislang der Teddy.

PS.
Passend zum Thema, bieten mir meine Kinder gestern eine weitere Szene. Erst ist es eine Weile still im Kinderzimmer (sehr ungewöhnlich, wenn beide da sind), und dann kommen sie strahlend zu mir: Die Haare der Tochter sind mit allen frischerworbenen Haarspangen gespickt, stolz führt der Sohn sein Werk vor. Und begleitet es mit dem aufschlussreichen Satz: "Guck mal Mama, die kann man jetzt wirklich als Mädchen erkennen."
---
Sollte die Tochter ihr Mädchenbild wohl vom großen Bruder übernommen haben???

2 Kommentare:

  1. Liebe Uta,

    das was du erzählst könnte von uns stammen :-) Lina ist auch eine kleine Prinzessin - durch und durch. Und das auch ohne Mama-Vorbild, da ich auch eher ungeschminkt und zu 99% in Hosen unterwegs bin(Im Urlaub fragte Luca warum ich denn einen Rock tragen würde, wäre das nicht nur etwas für kleine Mädchen?). Sie liebt ihre Kleider, sagt mir jetzt schon sehr bestimmend was sie anziehen möchte und was nicht. Wehe ich gebe ihr das Falsche :-)Sie liebt Ketten, Glitzersteine, halt alles was klimpert und natürlich ihre Puppen. Lina liebt es Puppenmutti zu sein, interessiert sich überhaupt nicht für das Jungenspielzeug(Autos, Lego) von Luca. Dieser hatte auch von Anfang an die Möglichkeit mit Puppen zu spielen, ließ diese aber immer links liegen. Wir haben auch nie auf dieses typische Rollenbild zugesteuert, beide Kinder haben die Möglichkeit sowohl mit Jungen als auch Mädchensachen zu spielen, trotzdem entwickeln sich die Zwei völlig Klischeehaft - anscheinend sind die Gene doch stärker an unserem Ich beteiligt, als wir es uns manchmal vorstellen können.

    Liebe Grüße
    Rina

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  2. Heute bin ich durch Zufall auf diesen Blog gestoßen, weil du bei Allerleirauh kommentiert hast...
    Witzig mit deiner Tochter, bei uns war das allerdings etwas anders.
    Schon unser Sohn hatte Puppe, Buggy und auch Puppenküche und war immer sehr begeistert, damit zu spielen, da man Autos halt so schlecht betüddeln kann...
    Unsere Tochter wollte dagegen immer so sein wie ein Junge (wahrscheinlich weil sich hier immer viele große Jungs aufhalten)und erst jetzt im zarten Alter von fünf Jahren, müssen es auf einmal Kleidchen, Spängchen und anderer Mädchenkram sein...;O)

    GLG
    PE

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